Round Table Konfliktfeldanalyse Programm
Programm Mediation in der Flüchtlingsbewegung Konfliktfeldanalyse 6. Nov. 2015 |
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10:00-10:10 |
Einführung |
Katharina v. Schlieffen |
FernUniversität in Hagen |
10:10-10:20 |
Bericht 1 |
Stephanie Pinjusic |
Polizei Hagen |
10:20-10:30 |
Bericht 2 |
Michael Funke |
Stadt Hagen |
10:30-10:50 |
Diskussion |
Moderation: Anke Stein-Remmert |
Rechtsanwältin und Mediatorin, Coach |
10:50-11:05 |
Bericht 3 |
Heike Spielmann |
Diakonin, Sozialarbeit Mark Ruhr |
11:05-11:15 |
Bericht 4 |
Kay-Uwe Präfke |
Präsident DRK-Kreisverband Bochum |
11:15-11:20 |
Pause |
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11:20-11:45 |
Diskussion |
Moderation: Anke Stein-Remmert |
Rechtsanwältin und Mediatorin, Coach |
11:45-11:55 |
Bericht 5 |
Peter Andres |
Leiter der Verbindungsstelle Polizei-Bezirksregierung in Flüchtlingsfragen |
11:55-12-05 |
Bericht 6 |
Beate Hauck |
Bereichsleitung Partizipation und Bürgerbeteiligung Stadt Hagen |
12:05-12:15 |
Bericht 7 |
Marc Pfeiffer |
Mediator, Jugendmigrationsdienst Caritas Ludwigshafen |
12:45-13:30 |
Mittagspause |
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13:30-13:55 |
Diskussion |
Moderation: |
FernUniversität in Hagen |
13:55-14:45 |
Workshop – Projektideen |
Moderation: |
Mediator, Mediator, Jugendmigrationsdienst Caritas Ludwigshafen
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14:45-15:00 |
Arbeitsergebnisse |
Bericht über den Round Table vom 6. November
2015
"Mediation in der Flüchtlingskrise" in der FernUniversität Hagen
Viele machen mit im grünen Netz!
Von Irene Seidel
Hagen, 06. November 2015 - Eine Idee wird Realität. Zukünftig werden in Flüchtlingsheimen, bei Bürgerveranstaltungen oder bei Polizeieinsätzen auch Menschen mit grünen Schals, Krawatten, Mützen oder T-Shirts dabei sein. Es ist das sichtbare grüne Netz der Mediation. Die Auftaktveranstaltung mit dem "Round Table zur Mediation in der Flüchtlingskrise" an der FernUniversität Hagen brachte viele Ideen und ganz praktische Erkenntnisse. Die Initiative wurde zum Netzwerk, dank der rund 40 Engagierten, die zur Auftaktveranstaltung nach Hagen kamen. Ein wichtiges Netzelement ist dabei die Plattform „Grünes Netz Mediation“, die in raschen Schritten weiterhin ausgebaut werden soll.
Es gilt keine Zeit zu verlieren, angesichts der 800.000 bis einer Million Flüchtlinge, die 2015 unaufhaltsam nach Deutschland strömen. Umso sportlicher wurde das Projekt zur Flüchtlingshilfe angegangen: Die Initialzündung am 22. Oktober ließ die Plattform und den Round Table am 06. November Realität werden. „Es war die kürzeste Vorbereitung in unserer Geschichte“, meinte Katharina Gräfin von Schlieffen, Projektinitiatorin und Inhaberin des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, juristische Rhetorik und Rechtsphilosophie der FernUniversität Hagen.
Mit ihr gemeinsam nahmen zahlreiche Wissenschaftler die Herausforderung an: Es wurden über 600 emails an Mediatorinnen und Mediatoren verschickt, um die Bereitschaft abzuklopfen, sich in die Flüchtlingshilfe einzubringen. Die Resonanz war enorm und der kurzfristig anberaumte „Round Table“ mit Mediatoren und „Flüchtlingsexperten“, wie Polizei, Diakonie, Rotes Kreuz und kommunale Vertreter konnte starten.
Der eintägige „Round Table“ war intensiv und inspirierend, denn es wurden Ideen diskutiert, die von Kontaktzonen (von Mediatoren moderiert) zwischen Flüchtlingen und Anwohnern bis hin zur Begleitung von Polizeieinsätzen in Flüchtlingsheimen reichten.
Andererseits sprachen die Experten sehr klare Worte: Flüchtlingen helfen, erfordert eine gut organisierte Struktur und Kompetenzen, die von Mediatorinnen und Mediatoren üblicherweise nicht verlangt werden, wie gute Kenntnisse des deutschen Asylrechts („Asylrecht für Dummies“), Knackpunkte des Asylverfahrens, Durchsetzungsvermögen, Organisationstalent, Fremdsprachenkenntnisse – gutes Englisch ist „must“ - und und und ...
Und auch das machten die Experten klar: Einfach zu Flüchtlingsheimen hingehen („Eine Unterkunft ist kein Zoo“) und seine Hilfe anbieten, bringt wenig. Ein effizienter Weg der Hilfeleistung ist hingegen, sich Organisationen, beispielsweise Sozialeinrichtungen, ortsansässigen Flüchtlingsberatungsstellen oder Freiwilligenzentralen, anzuschließen und/oder eigene Strukturen mit konkreten Hilfsangeboten anzubieten, wie die neue Plattform der FernUniversität Hagen es für Mediatorinnen und Mediatoren bietet.
Im Laufe der lebhaften Diskussionem des Round Table kristallisierten sich vier Konfliktfelder heraus, in denen Konfliktmittlungen dringend gefragt sind: die Flüchtlinge, die Bürger und die Öffentlichkeit, private Helfer und öffentliche Träger bzw. Institutionen, wobei große Schnittmengen zwischen den Konfliktfeldern bestehen.
Konfliktfeld „Flüchtlinge“
„Die Kriminalität unter Flüchtlingen ist niedrig“, bestätigte Peter Andres, Leiter der Verbindungsstelle Polizei-Bezirksregierung in Flüchtlingsfragen (NRW). Diebstähle von Smartphones seien an der Tagesordnung – alles eher harmlos.
Was vielmehr zu Problemen führe, sei die räumliche Enge in den Unterkünften.
Wenn zum Beispiel bei der Essensausgabe nur 150 Plätze für 1.000 Leute zur Verfügung stehen oder bei der Taschengeldausgabe die alleinreisenden, jungen Männer schneller sind als die Familien, befürchten viele Flüchtlinge am Ende leer auszugehen. Die verschiedenen Glaubensrichtungen, Sprachen und Nationalitäten befeuern die Konflikte zusätzlich.
Was bei der Expertenrunde erstaunte, sind folgende Erkenntnisse: Die Mehrzahl der Flüchtlinge weiß nicht, in welchen Massen sie derzeit nach Deutschland strömen! Viele Neuankömmlinge bitten die Hilfskräfte, ihnen so rasch wie möglich eine Arbeitsstelle oder einen Studienplatz zu besorgen. Das geregelte Asylverfahren mit Antragstellung, Interview beim BAMF und schließlich Genehmigung oder Ablehnung ist ihnen völlig fremd – und der Erklärungsbedarf damit entsprechend hoch.
Der Round Table entwickelte folgende Angebote, die Mediatorinnen und Mediatoren im Konfliktfeld „Flüchtlinge“ hilfreich umsetzen können:
Begleitung von Polizeieinsätzen in Flüchtlingsheimen, Kommunikationsrunden zum Erlernen der deutschen Sprache („Internationale Cafes“), Schulungen für Flüchtlinge oder Telefondienste. Hierbei lohnt auch der Blick auf erfolgreiche Projekte im Ausland. Mediator Marc Hermann führte „Cure Violence“ an - ein Programm, das die Gewalt und vor allem Schießereien in den USA deutlich reduzieren konnte. Das Prinzip ist rasch erklärt: Innerhalb unterschiedlicher Gruppen werden Persönlichkeiten ausgewählt, die aufgrund ihrer Ausbildung oder ihres Alters besonders anerkannt sind. Sie fungieren als Gruppensprecher und thematisieren schwelende Konflikte. Mediatoren könnten diesen Prozess in Flüchtlingsheimen steuern und begleiten.
Konfliktfeld „Bürger und Öffentlichkeit“
Die Flüchtlingsexperten mussten immer wieder die Erfahrung machen, dass Bürgerversammlungen nicht wie erwartet gelaufen sind. Hier sind Mediatorinnen und Mediatoren besonders in ihrer Eigenschaft als „Moderator“ gefragt. Beate Hauck, Bereichsleitung Partizipation und Bürgerbeteiligung Stadt Hagen, ist Mediatorin und leitete einige Bürgerversammlungen auf Basis der Gewaltfreien Kommunikation. „Die entspannte Grundhaltung von Mediatoren erstaunt hocheskalierte Menschen“ und reduziert in der Folge aggressive Briefe und Facebook-Einträge.
Was Bürgerversammlungen immer schwieriger macht, sind folgende Phänomene: Mediator Ernst Jan Schröder musste feststellen, dass Menschen zu den Bürgerveranstaltungen kamen, die nicht aus dem Ort waren. Sie filmten die Vorträge und verwerteten diese auf Internetseiten der rechten Szene.
Peter Andres berichtete, dass bei Bürgerversammlungen zunehmend AfD-Leute vertreten seien, die nicht als Gruppe aufträten, sondern sich zwischen den Besuchern verteilten. Ihre verbalen Angriffe erfolgten somit aus verschiedensten Richtungen – Stimmungsmache von allen Seiten ist für Podium und Moderator keine leichte Aufgabe.
Der Round Table entwickelte für das Konfliktfeld „Bürger und Öffentlichkeit“ weitere Angebote: die Einrichtung moderierter Kontaktzonen zwischen Flüchtlingen und Anwohnern, Runde Tische und Unterstützung im Umgang mit Ängsten (Angst um Kinder, Wertverlust des Eigenheims durch Flüchtlingseinrichtung usw.).
Konfliktfeld „Private Helfer“
Hier zeigen sich große Schnittmengen zu den Konfliktfeldern „Flüchtlinge“ und „Bürger und Öffentlichkeit“. Das betrifft mediationsbasierte Schulungen (z.B. interkulturelle Mediation), Telefondienste, den Umgang mit der eigenen Angst oder persönlichen Überforderung usw. – Hilfsangebote speziell zugeschnitten auf die Bedürfnisse privater Helfer.
Konfliktfeld „Öffentliche Träger/ Institutionen“
Die Flüchtlingswelle stellt natürlich auch die Politik und Verwaltung vor ungeahnte Herausforderungen. Kay-Uwe Präfke, DRK-Präsident Bochum, berichtete aus seiner Erfahrung, dass viele Kommunen sehr engagiert seien, aber manche eben auch weniger. Viele Hilfseinrichtungen müssten innerbehördliche Konflikte „ausbaden“, weil die Kommunikation auf kommunaler Ebene nicht stimme. Hier könnten Mediatorinnen und Mediatoren ansetzen, zum Beispiel Runde Tische moderieren oder Mediationen anregen.
Diakonin Heike Spielmann, Sozialarbeit Mark Ruhr, brachte einen ganz neuen Aspekt in den Round Table ein: Die zahlreichen Zuwanderer aus Europa fallen nach ihrer Erfahrung völlig durch das Raster. Sie benötigten kein geregeltes Asylverfahren und würden deswegen von öffentlichen Einrichtungen und generell von der Öffentlichkeit kaum beachtet. Doch auch die europäischen Zuwanderer befänden sich häufig in prekären Situationen. „Hier werden dringend Mediatoren gebraucht.“
Wer macht mit? Folgende Arbeitsgruppen sind im Aufbau:
Der Round Table kam zu dem allgemeinen Konsens, dass das Grüne Netz eine ehrenamtliche Einrichtung ist.
Was soll die Plattform „Grünes Netz“ leisten?
Zum Schluss blieb die Frage: Welche Erwartungen haben die Teilnehmer des Round Table an das neue Netzwerk mit seiner Plattform im Internet?
Gewünscht ist ein Blog, der nicht öffentlich sichtbar ist, zum Beispiel um sich über Probleme und Misserfolge auszutauschen. Eine Konfliktbörse, ebenfalls mit geschütztem Zugang, soll helfen, nach Kolleginnen und Kollegen zu suchen, die ein bestimmtes Projekt oder einen bestimmten Konfliktfall unterstützen können.
Die Plattform soll interessierte Mediatorinnen und Mediatoren listen, deren Profil auch die Sprachkenntnisse oder – sofern vorhanden - bereits initiierte Projekte mit Flüchtlingen umfassen soll.
Und schließlich soll die Plattform auch Informationsmaterial anbieten, zum Beispiel zur Interkulturellen Mediation, zum Asylrecht oder Literatur zu wichtigen Herkunftsländern.
Katharina von Schlieffen: „Es war ein fruchtbarer, ergiebiger, anregender Tag. Die Idee läuft.
Protokoll des Round Table vom 06.11.2015 von Jens Fischer
Das Symposium „Mediation in der Flüchtlingskrise“ wurde am 06.11.2015 um 10.00 Uhr von Gräfin von Schlieffen eröffnet. In ihrer Begrüßung erläuterte sie, welche Anstrengungen seit Gründung des Netzwerkes „Grünes Netz“ am 22.10.2015 unternommen wurden, um dessen Ziel - das Potential der Mediation in der Flüchtlingskrise zu erschließen – voranzutreiben, konkret: Konflikte in der Flüchtlingskrise zu verhindern und beizulegen. Dieses Ziel kann erreicht werden, wenn das Angebot der Mediatoren und die Nachfrage nach ihren Leistungen in Deckung gebracht werden. Es kann dabei nicht vorausgesetzt werden, dass auf Seiten der Nachfrage Kenntnis über das Leistungspotenzial der Mediation besteht. Deshalb müssen Mediatoren aktiv auf potentielle Nachfrager (Kommunen, Hilfsorganisationen, Bürger) zugehen. Das Netzwerk hat dabei die folgenden Aufgaben zu erfüllen: Es muss (1) Struktur- und Konzeptarbeit leisten, es muss (2) Projektentwicklungen etwa durch Modellprojekte vorantreiben und es muss (3) Vernetzungsarbeit (Ansprechpartner finden, Ideen vermitteln, Öffentlichkeitsarbeit, Unterstützung einzelner Projekte) leisten. Konzeptionell sind daher Konfliktfelder zu identifizieren, Konflikttypen im Umfeld der Flüchtlings-Bewegung herauszustellen und Projektideen zu entwickeln. Hierbei sollten strukturiert und untergliedert in separierte Konfliktfelder (Areal 1: Aufnahmeeinrichtungen - Areal 2: Infrastruktur (Versorgung / Hilfe) - Areal 3: Rechtsförmige Verfahren - Areal 4: Alltag in Deutschland (Persönliche Integration) - Areal 5: Nachbarschaft (Integration im Umfeld, Areal 6: Öffentlichkeit (kommunale Debatte, politische Prozesse)) Problemlagen analysiert werden. Gräfin von Schlieffen betont, dass das Netzwerk sich dem Prinzip der Neutralität verpflichten, sich also nicht als „Organisation für Flüchtlingshilfe“ verstehen und nach außen darstellen sollte. Im Fokus der mediativen Arbeit sollten stattdessen die Vermeidung und Beilegung von Konflikten stehen.
Die Moderatorin Frau Stein stellt sich daraufhin vor und bittet die erste Rednerin, Frau Pinjusic, mit ihrem Bericht zu beginnen.[1]
Frau Pinjusic (Bericht 1) hält einen Vortrag, den sie mit Herrn Andres abgestimmt hat. In ihm nimmt sie Stellung (1) zur aktuellen Lageentwicklung der Flüchtlinge, (2) zum Asylverfahren und (3) zur Situation in Hagen.
(1) 60 Millionen Menschen befinden sich derzeit auf der Flucht, die Prognose des Bundesministeriums für Migration und Flüchtlinge für das Jahr 2015 von 800.000 Menschen wird voraussichtlich überschritten. Nach dem Königsteiner Schlüssel, der die Verteilung von Flüchtlingen auf die Bundeslänger regelt, wird Nordrhein-Westfalen rund zwanzig Prozent der Flüchtlinge aufnehmen. Aus einer Grafik ergibt sich, dass seit Ausbruck der Syrien-Krise die Asylanträge bis zum Jahr 2014 stetig und stark gestiegen und im Jahr 2015 sprunghaft nach oben geschnellt sind.
(2) Das Asylverfahren soll mit der Registrierung in einer Erstaufnahmeeinrichtung beginnen, danach soll innerhalb einer Woche der Geflüchtete in eine zentrale Aufnahmestelle verlegt werden. Hier soll er – innerhalb von 3 Monaten - schließlich erfahren, ob sein Asylantrag Erfolg hatte und in eine kommunale Einrichtung verlegt werden. Nach Auffassung Frau Pinjusic hatte sich das zunächst Verfahren bewährt; im Jahr 2015 wurden allerdings die Kapazitäten gesprengt. Aus diesem Grund wurden Notunterkünfte gegründet. Es halten sich derzeit viele unregistrierte Flüchtlinge in Deutschland auf. Bei der Bearbeitung von Asylanträgen kommt es zu Verzögerungen. In den überfüllten Notunterkünften demonstrieren die Wartenden. In NRW (Regierungsbezirk Arnsberg) befinden sich derzeit 5 Erstaufnahmeeinrichtungen (Dortmund, Unna-Massen, Bielefeld, Burbach, Bad Berleburg) mit einer Kapazität von 3000 Plätzen, die unter Landesaufsicht, d.h. Verantwortung der Bezirksregierung stehen. Die 21 zentralen Unterbringungseinrichtungen haben eine Kapazität von 10.000 Plätzen und in 121 Notunterkünften können 20.000 Geflüchtete untergebracht werden.
(3) In Hagen befinden sich derzeit 4 Notunterkünfte (Hohenlimburg, Haspe, Delster, Halm). Hinzu kommen die kommunalen Asylbewerberheime.
Herr Andres (Bericht 2) übernimmt und erinnert an den in Vergessenheit geratenen Vorgang in Siegburg-Burbach, wo ein Angehöriger des Sicherheitsdienstes einen Flüchtling misshandelt hat. Dieser Vorgang wurde in der zuständigen Bezirksregierung Arnsberg erst hinterher bekannt, da es keine Verbindungsstelle gab, die für einen interbehördlichen Informationstransfer Sorge trägt. Durch diesen Vorfall wurde die Idee einer Verbindungsstelle inspiriert, die als das „schlechte Gewisse in Sicherheitsfragen“ die Beratung aller Bezirksregierungen übernimmt und in der aktuellen Situation sich der Frage widmet, wie trotz der gestiegenen Flüchtlingszahlen Obdachlosigkeit (= Leben in Parks, Bahnhöfen etc.) zu vermeiden ist; trotz steigender Flüchtlingsfragen seit dem 05.09.2015 ist das bislang gelungen. Neben der Sorge um Sicherheit in den Einrichtungen obliegt es der Bezirksregierung/Verbindungsstelle, an Bürgerversammlungen teilzunehmen und ein Lagebild, d.h, eine Darstellung der Kriminalität in 300 Einrichtungen, für das Ministerium zu erarbeiten. In die Erarbeitung dieses Lagebildes sind alle Kreispolizeibehörden involviert und registrieren die Delikte in einer Datenbank. Zum jetzigen Stand kann aus den Einträgen in diese Datenbank geschlossen werden, dass durchschnittlich 2,63 Straftaten je 100 Flüchtlinge je Monat vorkommen. In den Lagern treten ganz normale zwischenmenschliche Probleme auf; vor allem aufgrund der beengten räumlichen Verhältnisse. Das betrifft die Essensausgabe (100 Plätze für 1000 Menschen), die Ausgabe von Taschengeld oder das Vorkommen von Diebstählen bei günstiger Gelegenheit. Als Problem hat sich die Verlegung von einer Unterkunft in die nächste erwiesen, die mit einer Verschlechterung der Unterbringungsqualität verbunden sein kann. Der Grund für die Residenzpflicht wird von Geflüchteten häufig nicht verstanden. Auch die Rückführung von Flüchtlingen (vor allem aus Albanien) birgt Konfliktpotenzial, das durch die im Asylbeschleunigungsgesetz vorgesehene Rückführung ohne vorherige Ankündigung verschärft wird. Die auf Bürgerversammlungen aufgefallen Sorgen der Bevölkerung sind etwa Angst um den Wertverlust ihres Hauses/Wohneigentums oder die Sorge der Eltern, ob ihre jugendlichen Töchter noch ohne Gefahr unbeaufsichtigt zur Schule gehen können. Die Polizei soll hier Aufklärungsarbeit leisten.
Herr Funke (Bericht 3) von der Feuerwehr der Stadt Hagen berichtet über eine Zusammenarbeit mit der Bezirksregierung. Angesichts des sprunghaften Anstiegs der Zuwanderung seit September 2015 mussten innerhalb weniger Stunden Notunterkünfte für 200 bzw. für 300-350 Menschen geschaffen werden. Die Feuerwehr wurde damit beauftragt, eine geeignete Unterkunft (eine leerstehende Schule, eine Turnhalle) zu finden und diese bezugsfertig zu machen. In diesen häufig beengten Unterkünften, in denen Menschen aus zwanzig verschiedenen Nationen provisorisch untergebracht sind, kommt es zu Konflikten oder zumindest Verständigungsschwierigkeiten, die durch den Einsatz von Dolmetschern zuweilen nur unter großem Aufwand überwunden werden können. 5-6 Dolmetscher sind an Konfliktbeilegungen beteiligt, die häufig in den Abend- und Nachtstunden erforderlich werden. Zu Demonstrationen kommt es vor allem wegen der langen Bearbeitungszeit der Anträge. Die Dimension der Zuwanderung und der damit verbundene Verwaltungsaufwand sind für die Menschen in den Unterkünften oft nicht begreifbar. Für sie, die oft arbeitswillig sind und nach einer Perspektive suchen, sind die Auskünfte der Feuerwehr zu Beschäftigungsmöglichkeiten oft unbefriedigend und führen mitunter zu Aggressivität. Die Verständigung wird zusätzlich erschwert durch die Behandlung, die die Geflüchteten in Ungarn erfahren haben. Den dort gemachten Versprechungen, handelten die ungarischen Behörden zuwider. Die ärztliche Versorgung ist zudem unzureichend: Es gibt keine 24 Std. Versorgung vor Ort, so dass man auf die Unterstützung von freiwilligen Ärzten angewiesen ist. Auf Seiten der Bevölkerung wird durch eine mitunter nach plakativen Schlagzeilen suchende Berichterstattung eine diffuse Furcht geschürt. Doch auch die grundsätzlich Hilfewilligen haben sich als Problem erwiesen, wenn sie ohne nähere Kenntnisse der Lage sich in die Notunterkünfte quasi wie in einen „Menschenzoo“ begeben möchten. Bei der Zusammenarbeit mit Sicherheitsdiensten sind Unstimmigkeiten aufgetreten. Hier wurde eine Task-Force begründet, die die Zusammenarbeit von Betreuungsverbänden und Sicherheitsdiensten optimieren soll. Bei dieser Zusammenarbeit können sich Mediatoren möglicherweise mit einbringen. Die Zusammenarbeit von Polizei und Feuerwehr klappt dagegen hervorragend. Auftretende Konflikte in den Unterkünften können meist durch die Verlegung der Hauptaggressoren beigelegt werden. Für wichtig hält es Herr Funke, dass die abgegebenen Versprechen eingehalten werden und so ein Glaubwürdigkeitsverlust vermieden wird.
Zu unseren Aufgaben gehören die psychosoziale Beratung, d.h. Beratung in Fragen des Asylverfahrens, des Aufenthaltes, sowie in sozialen und persönlichen Angelegenheiten, wie z.B. Hilfe bei der Suche nach Schulen, Kindergartenplätzen, Ärzten usw. Wir bieten zudem Unterstützung im Umgang mit Behörden und anderen alltäglichen Fragestellungen. Für eine große Anzahl an Sprachen stehen geschulte Sprach- und Kulturmittler zur Verfügung. Darüber hinaus bieten wir psychotherapeutische Gespräche für die besonders psychisch belasteten Menschen an.
Frau Spielmann (Bericht 4 / Interview) ist Leiterin der Stelle Diversität und interkulturelle Kommunikation in der Diakonie und dabei auch mit Fluchtbewegungen betraut. Die Diakonie unterhält unter anderem ein psychosoziales Zentrum für Flüchtlinge, das die Aufgabenfelder Asylverfahren und Aufenthalt, Umgang mit Behörden und Alltagsbewältigung, Arbeitsmarkt, Integration und Aufklärungsarbeit bestellt. Zu den Konfliktfeldern zählt Frau Spielmann die spannungsreiche Einfügung von Unterkünften in die Nachbarschaft (etwa Lärmprobleme) und Alltagskonflikte innerhalb der Unterkünfte durch verschiedene Lebenseinstellungen. Bei der Konfliktbewältigung erweisen sich Sprachbarrieren als problematisch: Die zur Verfügung stehenden Dolmetscher sind oft Angehörige und aus diesem Grund fehlt ihnen die Neutralität bei der Übersetzungsarbeit. Ein dringender Bedarf besteht in den Bereichen Einzelfallhilfe, Aufklärungsarbeit und Diversität. Vor allem rund um die Wohnsituation sieht Frau Spielmann einen Bedarf an Mediatoren. Sie sieht ein Problem darin, dass die vielen hilfebereiten Menschen in der Bevölkerung nicht hinreichend informiert sind. Dabei besteht durchaus ein dringender Bedarf an Personal, das zu Organisationsarbeit in der Lage ist und das Hilfewillige begleiten kann. Zu den Herausforderungen zählt Frau Spielmann aber auch die Folgenbewältigung: Viele der Geflüchteten sind traumatisiert und sorgen sich um das Schicksal von Angehörigen. Hier ist dringend Personal erforderlich. Über die Einwanderung von EU-Ausländern sollte aber die Zuwanderung aus der Europäischen Union (Bulgarien / Rumänien) vergessen, die ebenfalls Anstrengungen erforderlich machen und in den derzeitig kursierenden Statistiken nicht aufgeführt werden; also kumulativ hinzu kommen. Mediatoren sollten sich, um ihre Hilfe anzubieten, an Fachleute (Flüchtlingsberatungsstellen) wenden, in Hagen: an die Freiwilligenzentrale, und vor allem geduldig bleiben und Verständnis zeigen. Um in den Bereichen der Traumabewältigung und psychische Betreuung tätig zu werden, sind eine Ausbildung und Fortbildung notwendig; außerdem: Gesprächskompetenz und Selbstdistanz. Wichtig ist außerdem eine Auseinandersetzung mit dem Thema Flucht. Das Verfahren läuft sehr zäh: seit Jahren hat sich ein Sockel unbewältigter Verfahren angesammelt, so dass es 200.000 unbewältigte Verfahren schon im Jahr 2014 gegeben hat. Das System ruckelt also bereits schon länger und droht nun endgültig zu kollabieren.
Moderation zu Bericht 1 – 4:
(1) Die Vielzahl der engagierten, doch häufig bloß im Weg stehenden Helfer:
Dazu Fr. Hauck: Es muss dorthin gegangen werden, wo das Leben stattfindet, lokal verstanden werden, was lokal los ist. Zuständigkeiten müssen heraus herausgefunden werden, Strukturen verstanden werden. Es muss also ein Gefühl für die von Stadt zu Stadt divergierenden Besonderheiten gewonnen werden. Über das Internet kann man sich bspw. vorinformieren. In jedem Fall muss man erst schauen, wo man sich engagieren kann. Zu den Hauptschwierigkeiten zählt aber auch, dass Wissen über die Mediation oft nicht vorhanden ist. Im Zweifel wird niemand auf Mediatoren zugehen.
(2) Zum Thematik Konflikteskalation und fehlende Sprachkompetenz:
Dazu Herr Funke: Die Konflikte finden meist in den Abendstunden statt, mitunter unter alkoholisierten Menschen. An ihnen sind meist 3-4 Nationen beteiligt und es ist schwierig nachts auf 3-4 taugliche Dolmetscher zurückgreifen zu können. Im Übrigen läuft die Zusammenarbeit allerdings, z.T. auch mit ehrenamtlichen Helfern, gut.
(3) Straftaten in Flüchtlingsheimen: Ist die Kriminalität dort höher?
Dazu Herr Anders: Über Stichwörter wird Kriminalität von Flüchtlingen im System vermerkt und ist so abrufbar. Das Verhältnis von Sicherheitspersonal zu in (Not-) Unterkünften Untergebrachten beträgt 1 zu 100 und ist damit wesentlich höher als in vergleichbaren „Menschenballung“ wie etwa in Gaststätten. Es wird also aufgrund von Vorfeldmaßnahmen verhindert, dass es überhaupt zu Straftaten kommt. In der Folge ist das Strafniveau eher niedrig. Es wird im Übrigen Runde Tische von Experten (Ordnungsamt, Ausländeramt, Leiter der Sicherheitsdienste, Verbindungsstelle Polizei) abgehalten, an denen sich auch außenstehende Institutionen mit Know How beteiligen können, und wo solche Fragen besprochen werden. Hierzu kann bei der Bezirksregierung / Gemeinde nachgefragt werden.
(4) Frage zur Bürgerbeteiligung: Umgang mit der eigenen Angst kann durch mediative Begleitung bei Aufklärungsarbeit eingeübt werden.
(5) Praxis: Sprachunterricht mit Syrern
Ein Syrer hat darüber berichtet, dass er große Probleme damit hatte, im Sprachstudio die deutsche Sprache zu lernen, weil die Möglichkeit fehlt, außerhalb des Kurses sich so zu unterhalten.
(6) Begleitung von Bürgerversammlungen durch Mediatoren
Hierzu Herr Andres: Eine der Schwierigkeiten von Bürgerversammlung ist die dort stattfindende Fraktionsbildung, die Teilnahme verschiedener politischer Strömungen. Die AfD pflegt sich in solchen Versammlung nicht im Saal zusammen zu setzen, sondern verteilt sich im Saal. Aufgrund der Brisanz der Thematik verlaufen solche Versammlungen meist pathosgetrieben und eine sachliche Argumentationskultur scheint unmöglich. Eine besondere Schwierigkeit bilden auch Angriffe auf Einrichtungen - und zwar auch durch Autonome, die im Falle von Rückführungen die Einrichtungen blockieren. Auch die Wechselbeziehungen von Autonomen und Rechten ist problembehaftet: Wird von Autonomen eine „Pro-Flüchtling-Aktion“ abgehalten, reagieren Rechte mit Gegenaktionen, so dass sich beide wechselseitige praktisch anstacheln. Auch hierdurch werden die ohnehin in der Bevölkerung bestehenden Ängste weiter geschürt.
Herr Präfke (Bericht 5), Präsident des Kreisverbandes des DRK, organisiert mit 60 ehrenamtlich für das DRK arbeitenden Helfern und weiteren Hilfewilligen die Katastrophen- und Wohlfahrtsarbeit und hilft beim Aufbau und Betrieb von Notfalllagern. Nach seiner Auffassung kann Mediation (1) im Umfeld der Helfer, (2) im Umgang mit der öffentlichen Hand (Abstimmungsprozesse / Nahtstelle zu Verwaltung) und (3) unmittelbar bei den Schutzbefohlenen Hilfe leisten. (1) Herr Präfke schildert die Abläufe ehrenamtlicher Hilfe im DRK. Hilfseinsätze beim DRK sind an einen strikte Befehlsstrukturen und einen entsprechenden Kommandoton gebunden. Adhoc-Helfer hingegen sind hierüber meist nicht informiert und zeigen manchmal wenig Verständnis für den Ablauf von Hilfseinsätzen. Sie sind zuweilen unter- oder überfordert; können etwa nicht verstehen, wenn 8 Stunden auf den Beginn eines Einsatzes gewartet werden muss. Dennoch ist das DRK auf qualifizierte Helfer angewiesen, die in die Strukturen der Organisation eingebunden werden können und vor Ort die Belastungen der Helfenden im Hauptamt unter Hinnahme des leider notwendigen Kommandotons zu tragen helfen. Herr Päfke sieht zudem im Umgang mit dem Personal der Sicherheitsdienste Schwierigkeiten begründet liegen, die darin liegen, dass das häufig als Türsteher in Diskotheken arbeitende Personal nicht über die Soft-Skills verfügt, die für den Einsatz in Unterkünften notwendig sind. (2) Die Zusammenarbeit mit Behörden der öffentlichen Hand (etwa Katastrophenschutz) gestaltet sich lokal sehr unterschiedlich. Nicht selten kommt es zu innerbehördlichen Konflikten oder zu Missverständnissen, die die Zusammenarbeit behindern. Erst neuerdings gibt es in Bochum einen Flüchtlingskoordinator auf Seiten der Behörden. Der Zeitpunkt für die Forcierung des Anliegens des Grünen Netzes ist ideal, denn ohne eine Verbesserung der Zusammenarbeit, droht ein Kollaps. (3) Die Schutzbefohlenen können in Kriegsflüchtlinge, Asylbewerber, Wirtschaftsflüchtlinge und Migranten aus der EU unterteilt werden. Sie befinden sich in unterschiedlichen Situationen, so dass der Umgang mit ihnen ganz unterschiedliche Konfliktpotenziale birgt. In Notunterkünften ist das Konfliktpotenzial nicht hoch und überwiegend zeigen die Geflohenen Dankbarkeit für die Aufnahme. Gerade hier wird von Herrn Präfke keine Einsatzmöglichkeit von Mediatoren gesehen. In zentralen Einrichtungen hingegen führen enger Raum, die Unsicherheit über den Fortgang des Asylverfahrens und zutiefst menschliche Gefühle wie Neid hinsichtlich einer vermeintlich besseren Behandlung zu Konflikten. In der kommunalen Unterbringung sind die Unterschiede vor Ort enorm. (1) Als Maßnahme in der Zusammenarbeit mit Hilfewilligen bietet sich die Durchführung Schulungen in Konfliktvermeidung, interkulturelle Kommunikation und über die Zusammenarbeit mit dem DRK an. (2) Bei innerbehördlichen Konflikten kann Planungsarbeit geleistet werden und die Mediation im öffentlichen Bereich implementiert werden. (3) Die Geflüchteten passen nicht ohne weiteres in unser Rechtssystem. Dies wurde bei der Libanon-Einwanderungswelle unbeachtet gelassen. Dabei verfügt dieser Kulturkreis über eine mediationsaffine Streitschlichtungskultur. Die Libanon-Einwanderer haben sich vom Rechtssystem verabschiedet und eine eigene Streitschlichtungskultur installiert. Mediatoren könnten die Mediation in die Einrichtungen tragen und hierdurch Wege aufweisen, wie die eigene Art, Konflikte zu lösen, mit dem deutschen Rechtssystem harmonisiert werden kann.
Frau Hauck (Bericht 6): Für die Öffentlichkeitsarbeit der Stadt ist es angesichts der sich überstürzenden Ereignisse eine Herausforderung, nach außen Verlässlichkeit zu demonstrieren. So wurde die Aussage der Stadt, frühestens in einem halben Jahr würde Hagen ein Flüchtlingsheim bekommen, eine halbe Stunde später durch neuere Entwicklungen höherer Instanz überholt. Bei der Bürgerinformationsarbeit und in Bürgerversammlungen greift die Stadt Hagen auch auf Moderatoren des lokalen Radio-Senders zurück. Frau Hauck hat, trotz vorheriger Zweifel an ihrer Allparteilichkeit, die Moderationsarbeit als Mediatorin übernommen, weil bei Veranstaltungen kein Radio-Moderator zur Verfügung stand. Aus ihrer Erfahrung kann sie sagen, dass es sich bei solchen Veranstaltungen um Prozessarbeit mit hocheskalierten Menschen geht. In ihrer Moderation hat Frau Hauck versucht, dem mit einer Moderation auf Augenhöhe zu begegnen und Aggressionen zu ignorieren. Durch diese Moderationsweise nahmen Menschen, denen es ein wichtiges Anliegen war, dass man ihnen zuhört, schließlich eine friedliche Haltung ein. Wichtig ist bei der Arbeit, das jeweilige lokale Umfeld der Einrichtung genau zu verstehen. Die gemachten Erfahrungen sind insofern unterschiedlich: Als eine Unterkunft in einer im Wohnumfeld einer eher älteren Bevölkerung bezogen wurde, waren die Reaktionen in Telefonaten vorwiegend geprägt von Hass. Eine Bürgerveranstaltung, die von einem Experten alleine ohne Mediatoren veranstaltet worden ist, eskalierte schließlich. Dabei ist der Ablauf von Bürgerveranstaltungen für die weitere Entwicklung wichtig. Eine zweite Erfahrung konnte in einer ländlich-pittoresken Villengegend in Halden gesammelt werden: Dort war die Bevölkerung aus einem verletzten Bedürfnis nach Autonomie, der Unkenntnis über den Islam und mangelnde Erfahrungen mit einer muslimischen Bevölkerung sowie der Furcht um ihre frei in der Umgebung spielenden Kinder wegen einer Notunterkunft aufgebracht. Vor allem Anrufe von hocheskalierten Frauen waren die Regel. An einer Info-Veranstaltung für 220 Personen wollten schließlich 440 Personen teilnehmen, so dass für die Veranstaltung an zwei Terminen stattfand. An dieser Veranstaltung nahmen Feuerwehr, Polizei, Staatsschutz, Ehrenamtliche und eben die Bürger mit ihren Sorgen teil. Staatsschutz und Polizei konnten dem Unbehagen in Sicherheitsfragen (Syrer sind keine Salafisten, Gefahr geht eher von Rechtsextremen aus) mit ihrem Fachwissen entgegentreten. Angesichts der Frustration auf Seiten der Bevölkerung und des Tunnelblicks ist auf solchen Veranstaltungen dennoch die Begleitung dieser hocheskalierten Prozesse durch Mediatoren wichtig.
Herr Pfeiffer (Bericht 7) koordiniert die Stelle für Flüchtlingsberatung u.a. auch in Bildungsfragen. Er sagt, dass man auf Flüchtlinge in den Erstaufnahmestellen zugehen muss, um dort Bildungsberatung anzubieten. Als Problem erweist sich die Verlegung der Geflohenen in andere Einrichtungen. Sie sind wegen wechselnder Unterkünfte oft kaum mehr erreichbar. Zum Asylverfahren merkt Herr Pfeiffer die Komplexität des Asylrechts an. Die Verhältnisse in den Kommunen und den Ländern sind individuell sehr verschieden. Anders als in den gut vernetzten Bundesländern Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg gibt es etwa in Hessen keine Ehrenamtskoordination. Der Königsteiner Schlüssel funktioniert im Übrigen nicht. Es gibt Kommunen, die mit der Flüchtlingsaufnahme überhaupt nicht betraut sind und in der Hoffnung agieren, der „Kelch möge an ihnen vorübergehen“. Herr Pfeiffer hält Mediationen im öffentlichen Bereich für möglich. Es empfiehlt sich durch Vorher-Nachher-Bilder, den Erfolg der Implementation von Mediation zu evaluieren. Er weist auf eine Masterarbeit in Mediation von Frau Wirtz hin, die sich mit Standortfragen für die Flüchtlingsunterbringung in Münster befasst hat.
Frau Wirtz (Bericht 8) referiert zu den Erfahrungen der Stadt Münster mit Fragen der Flüchtlingsunterbringung. Im Zeitraum von 2000 bis 2014 hat sich die Stimmung in der Bevölkerung durch das dort implementierte Verfahren deutlich verbessert. Zur Stärkung der so wichtigen Bürgerbeteiligung wurden zwei Mediationsverfahren durchgeführt, wo die Unterbringung und Standortwahl zum Thema gemacht wurde. Wichtig ist für die Stadt Münster, nicht nur auf ad-hoc-Maßnahme zu setzen, sondern Integrationskonzepte auszuarbeiten und sich bei der künftigen Standortwahl an neutralen Kriterien zu orientieren. Frau Wirtz erklärt sich bereit, Teile ihrer Masterarbeit dem Grünen Netz zu Verfügung zu stellen.
Moderation zu Bericht 5– 8:
Folgende Ideen sollten aufgegriffen werden:
(1) Zur Behebung von Sprachbarrieren sollte die Kommunikationsrunde „Syrer treffen sich“ als Idee vertieft werden. Dabei sollten Angebote der Kirchengemeinden berücksichtigt werden.
(2) Über die Nutzung des Mediums Telefon sollte nachgedacht werden.
(3)Aus der Libanon-Krise lernen: Mediatives Wissen sollte im Flüchtlingsumfeld aktiviert werden. Durch Dolmetscher-Schulung können Ankerpunkte geschaffen werden.
(4) Das Konzept „Train The Trainer“ sollte auch im Ehrenamt weiter ausgearbeitet werden.
(5) Das Konzept „Mediator als Moderator“ sollte vertieft werden.
(6)Es wird das aus den USA bekannte NGO-Projekt „Cure Violence“ dargestellt. Hiermit könnte die Mediationsaffinität der Geflüchteten genutzt werden.
Workshop
Hr. Pfeiffer macht einleitend den folgenden Strukturierungsvorschlag: Unterschieden werden soll nach den Feldern (1) Flüchtlinge (2) private Helfer (3) Bürgerbeteiligung und (4) öffentliche Träger und Institute.
Es wurde nochmals das Cure Violence Konzept im Rahmen einer Hilfe zur Selbsthilfe erläutert. Danach sollen die Flüchtlinge einen Repräsentanten wählen und benennen. Mediatoren können diesen Prozess der Selbsthilfe unter Vermittlung mediativer Inhalte initiieren. Hierbei ist es hilfreich, sich mit der Bildung informeller Hierarchien unter Flüchtlingen / Selbstorganisationen zu befassen. Erfahrungsmaterial können hier die Lampedusa-Flüchtlinge oder auch Frauenorganisationen (Floß-Tour) bieten. Diese Flüchtlinge organisieren in Eigenregie Musikkonzerte. Frau Spielmann betont dabei, wie wichtig es ist, die Beteiligung der Betroffenen zu stärken.
Ein weiterer Ansatz sind die Integrationskurse, die Sprache, Werte und das Leben in Deutschland vermitteln sollen. Im Rahmen des Betriebs dieser Kurse wurden gute Erfahrungen bei der Integrationsarbeit mit Frauen gemacht. Die Arbeit mit Männern war dagegen schwieriger. Problematisch ist, dass die Anerkennung als Flüchtling Voraussetzung für einen Anspruch auf diese Integrationskurse ist. Bis zur Anerkennung kann es allerdings eine längere Zeit dauern. Bis dahin muss durch ehrenamtlichen Sprachunterricht und Spenden für Sprachkurse ausgeholfen werden. In diesem Rahmen wurde auch die Idee eines „Frauentickers“ zur Sprache gebracht, der Anstöße zum Nachdenken über die Frage „Was ich als Frau machen kann“ gibt. Problematisch sind schließlich die häufigen Verlegungen von Geflüchteten.
Zur Frage, welche Aufgaben das Grüne Netz übernehmen und welchen Nutzen es befördern soll, wurden die Punkte „Informationen / Erfahrungen sammeln und auf der Website abrufbar machen“ und die Selbstorganisation von Mediatoren genannt. Es soll neben einer Vernetzung der Mediatoren auch Knotenpunkt für die Vernetzung mit Städten, Kommunen und ehrenamtlich helfende Organisationen sein. Der übergeordnete Zweck des Netzwerkes ist, die Mediation für diese spezielle der Flüchtlings-Bewegung furchtbar zu machen. Zur Sammelstelleneigenschaft näher aus, dass Erfolge und Misserfolge dort zu dokumentieren sind und eine Verbindungsstelle zu Städten und Kommunen mit konkreten Ansprechpartnern aufgebaut werden. Das Netzwerk kann zudem Vernetzungsarbeit für die Co-Mediatorensuche leisten und auf Kontaktstellen in der Verwaltung - etwa bei den Landesämtern und der Bezirksregierung - hinweisen.
Es wurde die Frage aufgeworfen, ob Mediatoren ihre Dienste pro bono oder ehrenamtlich zur Verfügung stellen. Nach Diskussion hat man sich auf eine Arbeit pro bono geeinigt. Dennoch soll versucht werden unter Wohlfahrtsorganisation wie dem Lions-Club oder dem Rotary-Club, aber auch auf der Ebene politischer Organisationen wie der EU nach Kooperationspartnern und Sponsoren zu suchen.
Die Anwesenden waren sich auch darin einig, dass Kenntnisse über die Mediation über die Öffentlichkeit vermittelt werden müssen. Es muss bildlich greifbar gemacht werden, welche Leistungen Mediatoren zu erbringen imstande sind. Zur Profilbildung und Außendarstellung, schlägt Frau Hauck vor, können Mediatoren mit Kommunen und anderen Trägern in Pilotprojekten miteinander kooperieren.
Es wurde weiter vorgeschlagen, dass das Netzwerk Evaluations- und Koordinationsaufgaben übernimmt. Zur Fortbildung soll das zugehörige Skript der FernUni um einschlägige Interkulturelle Kompetenzen und den Aspekt Asylrecht erweitert werden und zur Verfügung gestellt werden. Ergänzend wird auf die Internetpräsenz des Bundesministeriums für Bildung hingewiesen, wo zum Themenkreis Interkulturalität bereits Material bereitgestellt wird. Zudem sollte sich um die Entwicklung neuer Methoden bemüht werden.
(1) Flüchtlinge |
(2) Private Helfer |
(3) Bürger und Öffentlichkeit |
(4) Öffentliche Träger / Institutionen |
Kommunikationsrunde „Sprachkurse “ |
Interkulturelle und mediative Schulungen von Helfern |
Mediatoren bei Bürgerversammlungen: Zusammen mit Experten der Polizei |
Runde Tische |
Polizeieinsatz mit Mediatoren |
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Runde Tische |
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Telefondienste |
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Umgang mit Angst |
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Cure Violence Ansatz |
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Mediatoren als Moderatoren |
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Hilfe zur Selbstorganisation |
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Mediatoren bei Bürgerversammlungen |
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Schulung für Flüchtlinge |
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Moderierte Kontaktzone: Flüchtling /Anwohner |
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Funktion des Netzwerks |
- Vernetzung von Mediatoren |
- Sammel-/ Austauschstelle für Mediatoren |
- Interner Austausch: Intervision/Fortbildung Evaluation |
- Kontakt zu Beschwerdemanagement u. Verbindungsstelle zu Behörden (NRW) |
- Profilbildung für Mediatoren |
- Öffentlichkeitsarbeit |
- Suche nach Kooperationspartnern |
Weiteres Vorgehen
Es wurde beschlossen, dass aufgeteilt in Arbeitsgruppen das Projekt „Netzwerk Grünes Mediation“ weiter vorangetrieben wird:
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Themenkomplex |
Leitung |
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AG 1 |
Methoden-AG: Mediative Arbeitsweisen in der Flüchtlingskrise |
Frau Fischer |
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AG 2 |
Interkulturelles |
Herr Präfke |
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AG 3 |
Selbstorganisierte Mediation Geflüchtete als Mediatoren |
Herr Herrman Herr Peyer |
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AG 4 |
Mediation mit Bürgerbeteiligung Kommunale Partizipation, Nachbarschaftsmediation |
Frau Hauck |
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AG 5 |
Mediative Schulung und Fortbildung für Helfende |
Frau Lutschewitz, Frau Dr.
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AG 6 |
Öffentlichkeitsarbeit / Politische Debatte |
Herr Stiefel Herr Pfeiffer |
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Die Veranstaltung „Round Table: Mediation in der Flüchtlingskrise“ vom 06.11.2015 wird um 15:20 Uhr beendet.